Samstag, Juni 10, 2006

Warum Fußballmuffel keine Che Guevaras sind...

WM im eigenen Lande. Die Welt zu Gast bei Heinz, Erna und Bodo, dem deutschen Dackel.
Ausnahmezustand. Partystimmung. Ganz Deutschland ist besetzt. Ganz Deutschland? Nein!
Ein paar wenige Menschen leisten erbittert Widerstand. Indem sie den ganzen Merchandising-Kram nicht mitmachen und still protestieren, indem der Fernseher ausbleibt bzw. nur "Natural Channel" oder "Phoenix" geguckt wird.

Doch was bewegt sie dazu, sich abzuschotten von der feiernden Fußballgemeinde?
Gerne werden diese Gründe angegeben:

- Kommerzialisierung, Fans werden mit dem zwanghaften Nationalgefühl ausgebeutet, indem sie massenweise Fanartikel vor die Füße geworfen bekommen.

- WM ist keine Deutsche WM, sondern eine Amerikanische WM. CocaCola und MCD als Hauptsponsoren sind nicht deutsch.

- Alles andere wird in den Hintergrund gedrängt.

- Politiker missbrauchen den künstlich aufgesetzten Patriotismus für ihre Zwecke.

So weit, so gut. Klingt schön und vor allem unheimlich alternativ. Und das will man ja schließlich sein. Kein Mitläufer, der sich als einer von vielen von der bööööösen Schlange namens Fußball verschlingen lässt, sondern einer, der in seinen Birkenstocksandalen auf dem Balkon sitzt und zu einem guten Schluck selbstgepresstem Traubensaft die wundervolle Natur genießt...fernab aller Hektik und Feierlaune.

Ein paar gute Gründe, die gegen Fußballmuffel sprechen, habe ich hier mal zusammengestellt:

1) Es ist ein Großereignis im eigenen Land. Fußballfans aus aller Welt kommen nach Deutschland und lassen die WM zu einer der größten Kulturveranstaltungen werden. In vielen Städten gibt es große Feste, gemischt mit deutscher und ausländischer Unterhaltung. Brasilianische Tanznächte, amerikanische Cheerleader, deutsche (na gut, bayrische) Lederhosenverbände und Schuhplattler, fernöstliche Musik und und und...
Während der WM wird Deutschland zum Schmelztiegel der Nationen und das lässt selbst den engstirnigen deutschen Bauern mal etwas weltoffen und gastfreundlich werden.
Mein Vater hat sich ein Trikot von Brasilien geholt und meine Mutter schwärmt für die Franzosen. Finde ich zwar grauenhaft :D aber naja...

2) WM bringt Profit. Entgegen aller pessimistischen Einschätzungen wird die WM die deutsche Wirtschaft ankurbeln. Auch die teuren Stadien und allg Ausgaben für Sicherheit usw. können daran wenig ändern. Ob es einen Reingewinn bei der WM geben wird, kann keiner vorher sagen. Dass der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft allgemein profitieren, das steht fest.

Deshalb mein Rat an alle, die sich dieser Kommerzialisierung entziehen wollen: Sucht euch Gleichgesinnte und startet eine Revolution. Besiegt den Kapitalismus. Aber falls ihr all das nicht vorhaben solltet, kann man die strikte Verweigerung des WM-Konsums nur müde belächeln. Ihr lebt in einem kapitalistischen Land und steuert mit eurem Leben tagtäglich dazu bei. Da hilft es wenig, sich gegen Großereignisse wie die WM zu sperren. Die Wirtschaftsbosse stört das kein bisschen.

3) WM macht Spaß. Ob man nun Fußballfan ist, oder nicht. Das gesellige Beisammensein im eigenen Garten bei Bier und Würstchen ist einfach schön. Man hat Gesprächsstoff und amüsiert sich über die Engländer, feiert zusammen Poldi & Schweini und verwettet sein Geld auf das beste Team.
Viele Leute mögen den Patriotismus nicht, der uns aufgrund der WM eingeimpft werden soll. Dazu mal folgendes: Ihr braucht das doch nicht mitzumachen...Wer zwingt euch dazu??? Nur, weil man zur WM eine Fahne am Auto hat, bedeutet das noch lange nicht, dass man nationalistisch denkt. SchwarzRotGold ist für den nächsten Monat die Farbe des Sports. Ich trage normalerweise auch keinen Deutschlandschal...aber für die WM habe ich mir einen gekauft. Nicht, um meinen deutschen Stolz auszudrücken, sondern um mit Freunden zusammen zu feiern. Und das macht in SchwarzRotGold gekleidet eben mehr Spaß :)


Man muss kein Experte sein, um sich von der Stimmung mitreißen zu lassen. Aber man muss evtl. aus seiner zwanghaften Verweigerungshaltung herauskommen. Man braucht keinen Nationalstolz, aber evtl. muss man von seiner pseudoalternativen Schiene runterkommen.
Das erinnert mich immer wieder an Leute, die z.B. RockamRing ablehnen mit den Worten: "Das ist mir zu sehr Mainstream. Ich hasse Kommerz-Musik." Ich sage ihnen dann: "Schonmal drüber nachgedacht, das Alternativ inzwischen selbst ein Markenwort geworden ist?"
Man will sich abgrenzen und handelt wie viele tausend andere. Mission failed, würde ich sagen ;)

Ihr seid nicht CheGuevara, ihr seid nunmal Deutschland...

Eine kurze Erklärung noch: Ich habe mich mit meiner Kritik nicht auf Fußballmuffel bezogen, die den Sport an sich dumm finden. Wer Fußball nicht mag, der hat wenigstens einen guten Grund, den Fernseher auszulassen. (Wobei es ja evtl für einen Abend mit Freunden immer noch reichen wird...)