Mittwoch, September 13, 2006

9/11 und "Das Leid in aller Welt"

Kommt man in diesen Tagen in die Schule, sieht man zahlreiche Leute mit T-Shirts à la "US World Domination Tour" oder "American Idiot".

Sehr schön. Pünktlich zum 11. September kriechen wieder eine Menge Leute aus ihren Löchern. Kurze Differenzierung:

Typ A: Ist sauer auf die US-Politik, die nach 9/11 geführt wurde. Findet, dass dadurch die Familien und Opfer der Anschläge beleidigt werden und fühlt mit den Familien.

Typ B: Verwechselt Wut auf US-Politik mit der Ablehung von Trauer/dem Gedenken an die MENSCHEN, die an diesem Tag ums Leben kamen. Meint, man müsse doch dann auch die armen Kinder in Afrika und anderes Leid in der Welt betrauern. Meint, es wäre moralisch nicht sehr wertvoll, gerade die Ammis zu bemitleiden...

Ist es nicht für das Individuum völlig egal, wie viele Menschen bei etwas ums Leben kommen? Wenn bei uns in der Nachbarschaft Ömmeken Gerlinde stirbt, geht mir das doch mehr ans Gemüt und erfährt mehr meine Aufmerksamkeit als einer von den vielen Anschlägen im Irak zur Zeit. Es ist, so sehe ich das, unterste Schublade, das Mitgefühl, was man einer Sache schenkt, an der Anzahl der Opfer zu messen. Und es ist auch (entgegen der weitverbreiteten Meinung) überhaupt nicht unmoralisch, nur um die Menschen zu trauern, zu denen man noch irgendwo einen Bezug hat. Es ist menschlich!
Für mich ist es eher heuchlerisch, wenn man das Gedenken an die Opfer des 9/11, der uns sicherlich alle etwas angeht, mit den Worten "Es sterben weltweit überall sekündlich ganz, ganz viele Menschen..." abtakelt. Will man sich jetzt als Gutmensch etablieren und 24/7 für alle Opfer der Welt trauern?

Wahrscheinlich sitzt man gerade an seinem "Made in China"-Sessel, hat Billigkaffee vor der Nase und arbeitet an einem Windows-PC, der in verschiedenen Teilen der Welt durch primitivste Arbeit hergestellt wurde. Und jetzt will man sich vom bösen Amerikanismus abgrenzen und keinen Gedanken an 9/11 verschwenden, weil die halbe Welt hungert???

Auch, wenn es bitter ist: Wir unterscheiden uns vom Durchschnittsamerikaner kaum noch. Das, was uns noch am meisten von der USA unterscheidet, ist deren Außenpolitik. Und DIE sollte man kritisieren. Meinetwegen auch am 9/11. Denn auch ganz ohne Verschwörungstheorien steht fest, dass man dem Verhalten von Bush&co. schon fast ein "fahrlässig" attestieren kann. Um die "Gefährdung der westlichen Freiheit", wie es Georgie so schön sagt, sollte man bestimmt nicht trauern. Denn dass wir in letzter Zeit mit Terroranschlägen konfrontiert werden, ist Ziel einer arroganten westlichen Weltpolitik.

An die Menschen, die bei dem Anschlag ums Leben gekommen sind, sollte man schon denken. Es waren Geschäftsleute, viele Liberale aus verschiedenen Ländern (als wenn das noch ein besserer Grund wäre...). Wir sind in einer viel zu ähnlichen Position, als dass wir uns anmaßen können, das Verhalten der Amerikaner (also der Zivilbevölkerung) zu kritisieren und ihnen deshalb keinen Gedanken zu spenden.
Man sollte Mitleid haben mit einer Nation, die von ihrem Präsidenten betrogen und missbraucht wurde. "Selbst schuld" werden manche sagen, "hätten sie ihn halt nicht gewählt".
Auch hier war es sicherlich keine böse Absicht, was die Amerikaner pro Bush hat stimmen lassen. Mit was für Themen man Wahlen für sich gewinnen kann und mit was für Inhalten man die Wähler fangen kann, hat man ja schließlich bei der Wiederwahl Schröders gesehen:

So wie er auf den Sandsäcken stand und mit "Tränen" in den Augen die Mithilfe bei der Flutkatastrophe versprochen hat, so wie er mit seiner "Irak"-Debatte die Wähler geködert hat, so hat Bush eben seine Wähler durch das Versprechen von "Sicherheit" zu den Wahlurnen gelockt. Und man sollte vorsichtig sein: Wenn eine ähnliche Situation in Deutschland vorliegt, werden Gammelfleisch und Mehrwertsteuer auch ganz schnell mal vergessen...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

delikat, bitte mehr davon ...